Russland

Kaliningrad
3. Mai 2010, 2881km
Im Bus verlassen wir Gdansk in Polen und fahren in Richtung russische Grenze; das Ziel ist Kaliningrad, die Exklave an der Ostsee. Die Fahrt dauert rund sechs Stunden, wobei wir drei davon für die Zollformalitäten benötigen. Wir freuen uns dementsprechend, als wir den Stempel im Pass haben und endlich mit dem Bus in Kaliningrad ankommen.
Kaliningrad wird dominiert von langen, grauen Häuserzeilen aus der Sowjetzeit, die von grosszügigen Parkanlagen unterbrochen sind. Die Kathedrale aus rotem Backstein bietet eine farbige Abwechslung mitten in der Stadt. Kaliningrad ist anders, als die Orte, die wir bereits besucht haben. Zu den Herausforderungen zählt die erste Tramfahrt, die Organisation des Tagesausflugs in den Nationalpark oder die Bestellung in russischer Sprache im Restaurant. Tramhaltestellen sind hier nicht immer gekennzeichnet, und wir rätseln darüber, wann und wo die Strassenbahn hält (ist es nun jeweils vor einer Kreuzung, oder immer beim Fussgängerstreifen?). Wir schlagen uns aber wacker durch und nach dem zweiten Anlauf fahren wir bereits wie zwei Einheimische mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Wir besuchen den Nationalpark Kurshskaya Kosa - eine Halbinsel in der Ostsee mit grossen Sanddünen und Pinienwälder. Die Bäume wachsen hier nicht gerade in den Himmel, sondern durch den Wind entstehen interessante Baumstammformationen, die den Wald aussehen lassen, als ob er tanzen würde. Die Sanddünen sind riesig, und grosse Plattformen auf den Dünen bieten eine Aussicht über die Weite dieser Halbinsel.

St. Petersburg

6. Mai 2010, 3678km

Von Kaliningrad fliegen wir nach St.Petersburg und mit Bus und Metro geht es vom Flughafen zur Jugendherberge, wo wir bereits ein Doppelzimmer reserviert haben. Bei der Ankunft sind wir froh, dass wir hier nicht das erste russische Treppenhaus sehen, ansonsten wären wir vielleicht gar nicht bis zur Etage der Jugendherbege hoch gestiegen. Jedenfalls macht dann das Innere unserer Unterkunft einen sehr viel freundlicheren Eindruck, als der Eingang und das Treppenhaus, und wir richten uns für die nächsten vier Nächte ein.
Das Preisniveau ist hoch und deswegen muss unser Speiseplan etwas angepasst werden. Es gibt in der Regel ein Picknick und zwischendurch eine heisse Suppe im Restaurant. Nicht sehr abwechslungsreich, aber für Abwechslung ist mit den neuen Eindrücken im Moment genug gesorgt und so verzichten wir auf kulinarische Experimente.

Spannend für uns sind die hellen Abende und Nächte. Obwohl es noch dauert bis zur Sonnenwende, ist es um halb zwölf in der Nacht immer noch nicht dunkel und wir werden irgendwie auch nicht müde. Das Tagesprogramm füllen wir mit einem Besuch im Winterpalast – es heisst, dies ist ein absolutes Must in dieser Stadt. Das Museuum enthält viele verschieden Sammlungen. Wir konzentrieren uns auf einige Räme und sind schlussendlich froh darüber, da der Palast riesig ist und wir langsam aber sicher genug gesehen haben. Beim Verlassen des Museuums sehen wir eine riesige Warteschlange vor dem Eingang. Wir mussten für das begehrte Ticket eine Viertelstunde anstehen, die Leute, die aber jetzt anstehen, werden sicher zwei bis drei Stunden auf ihr Eintrittsbillet warten.

Am 9. Mai feiert Russland den Sieg des zweiten Weltkriegs gegen Deutschland. Die Stadt organisiert eine grosse Parade, hauptsächlich mit Veteranen, und anderen Vereinen und Parteien. Die Veteranen tragen alle stolz ihre Medaillen zur Schau und die Zuschauer rufen lauthals: Спасибо!, was "Danke" auf Deutsch bedeutet. Die Menge dankt den Soldaten für ihren Mut und Einsatz und natürlich für den Sieg. Nach der Parade findet am Abend ein Feuerwerk über dem Fluss statt. Tausende von Menschen pilgern mit der Metro in die Innenstadt – und wir mit Ihnen. Es ist ja lustig zu sehen, wie viel Freude die Russen an dem Feuerwerk haben - wir allerding sind nur erstaunt über dieses kleine und eher schlecht präsentierte Feuerwerk von einer Stadt wie St.Petersburg. Aber wie gesagt, die Leute hier jubeln bei jedem Knall!

Moskau

13. Mai 2010, 4328km

Endlich können wir die Jacken verstauen und den Sonnenhut auspacken, denn in Moskau steigt die Temperatur bis auf 30 Grad Celsius. Bereits der Metroplan macht klar, dass Moskau viel grösser ist als St.Petersburg. Der Weg, um von A nach B zu gelangen, ist lang und die Zeit vergeht wie im Flug. Die grossen Boulevards sind eindrücklich und es ist toll, für einmal selber auf dem Roten Platz zu stehen; wo man dieses Bild aus der Tagesschau kennt, wenn die Auslandkorrespondenten über aktuelles Geschehen in Russland berichten.
Unser zweite Servas-Host, Irina, eine siebzig järige Moskauerin, ist ausserordentlich gesprächig. Sie bereiste Länder wie Kuba, Italien, Bulgarien und Frankreich und plaudert ununterbrochen über ihre Erlebnisse. Irina lebt im Sommer hauptsächlich auf der Datscha, ein Ferienhaus auf dem Land. Hier in der Stadt ist sie jetzt wegen unserem Besuch und um einige Besorgungen zu erledigen.
Uns bleiben nur zwei Tage für die Stadtbesichtigung. Den einen Tag nutzen wir für die Organisation unserer Eisenbahntickets, was sich einfacher herausstellt, als befürchtet. Wir finden die Agentur sofort und der Pförtner lässt uns ohne Kontrolle der Papiere in das Hochhaus – was nicht selbstverständlich ist in Russland. Am zweiten Tag besuchen wir eine Galerie und ein Museum mit Werken von russischen Künstlern – auf Empfehlung von Irina. Sie hat nach dem Studium in genau diesem Museuum gearbeitet und später als Kunst Kritikerin Geld verdient. Mit der Liste von Irina, auf der sie die wichtigsten russischen Maler notiert hat, gehen wir durch die vielen Ausstellungsräume und versuchen die Küstler zu finden.
Moskau ist auf jeden Fall einen Besuch wert und wir werden bestimmt zurückkehren und uns mehr Zeit für die Besichtigung dieser Stadt nehmen.

Jekaterinburg

14. Mai 2010, 5996km

Der erste Abschnitt mit der Transibirischen Eisenbahn bringt uns von Moskau nach Jekaterinburg. Nach dem Einkauf mit Irina sind wir mit mehr als genug Essen ausgerüstet und wir besteigen gespannt den Zug in Moskau. Unsere Abteil-Mitreisende sind zwei Russen und wir unterhalten uns mit dem 56-jährigen Vitali mit ein paar Brocken Russisch und Englisch und den Händen mehr oder weniger angeregt. Vitali ist auf dem Nachhauseweg vom Besuch bei seinem Sohn in Moskau. Er erzählt uns, dass er 30 Jahre beim Militär gearbeitet hat und jetzt pensioniert ist, und seine Zeit verbringt er am liebsten beim Fischen. Die Gegend im Ural ist der beste Ort dafür, wo ein 10kg-Fang keine Seltenheit ist.
Nach einer Nacht und einem Tag Zugreise kommen wir am Abend in Jekaterinburg an. Wir versprechen uns nicht viel von diesem Ort, werden aber um so positiver überrascht. An jeder Ecke wird gebaut und Glasfassaden von Hochhäusern dominieren die Skyline. An den Strassen gibt es jede Menge Restaurants und englische Pubs haben hier Hochkonjunktur. Auch unser Hotel macht einen guten ersten Eindruck mit der neu renovierten Lobby. Als wir dann aber die Zimmertür aufschliessen, werden wir umgehend daran erinnert, dass wir in einem ehemals sowjetischen Hotel abgestiegen sind. Und eine Renovation wurde hier seit dem Bau in den 50-iger nicht mehr vorgenommen. Aber alles ist sauber, wir kriegen grosse, schneeweisse Handtücher und gratis Wäscheservice, was für uns schon fast purer Luxus ist!
Die beiden Tage nutzen wir für die Aufarbeitung der Website und andere organisatorische Angelegenheiten; und wir rüsten unseren Essensvorrat für die Zugfahrt nach Irkutsk auf.

Transsib Jekaterinburg nach Irkutsk

17. - 19. Mai 2010

Um 01.30 Uhr Lokalzeit besteigen wir den Rossija in Jekaterinburg. Wir sind wiederum in einem Viererabteil eingebucht und unsere Mitreisenden sind noch wach und essen soeben eine Noodle-Soup – das traditionelle Gericht auf der Transsib, weil heisses Wasser in jedem Wagen zur freien Verfügung steht. Als unser Wagenmeister kommt, können wir endlich die Betten beziehen und uns in den Schlaf schaukeln lassen.
In russischen Zügen ist die aktuelle Zeit immer in Moskauzeit angegeben. So stehen wir am nächsten Morgen um 7.00 Uhr auf, bzw. um 11.00 Uhr Lokalzeit. Ein Tag im Zug vergeht unheimlich schnell. Nach dem Frühstück lesen wir oder gucken aus dem Fenster und lassen die Landschaft an uns vorbeiziehen.
Irgendwann am Nachmittag gibt es eine Noodle-Soup zum Mittagessen und nach dem Verdauungsnickerchen machen wir uns auf den Weg in den Speisewagen. Nur sehr wenige Leute essen hier und wir bestellen erst mal ein Bier. Bald kommen wir mit den Mitfahrenden ins Gespräch, und schlussendlich verabschieden wir uns erst gegen Mitternacht von den Amerikanern, Polen und Russen. Am nächsten Tag ist der erste, lange Stop viel spannender: wir begegnen allen Leuten von gestern Abend und halten einen kurzen Schwatz auf dem Bahnsteig.

Irkutsk

19. Mai 2010, 9371km

In Irkutsk steigen wir nach drei Nächten und zwei Tagen Zugfahrt aus und sehen uns nach Galina um, unser Host von Servas. Sie hat versprochen, uns vom Bahnhof abzuholen und uns ins Apartement von ihren Freunden zu bringen, das sie netterweise organisiert hat. Leider ist auch nach 30 Minuten noch keine Spur von ihr zu sehen und wir rufen sie an. Am Telefon erklärt sie, dass sie den Zug nicht um 06.15 Uhr erwartet hat, sondern um 10.00 Uhr. Sie verspricht uns aber, dass sie bald bei uns ist, und wir machen es uns in der Wartehalle bequem. Um 10.00 Uhr treffen wir Galina dann tatsächlich und fahren mit ihr mit dem Taxi zum besagten Ort. Irgendwie auf dem Weg, und dann definitiv bei der Ankunft, finden wir heraus, dass wir in einem normalen Gästehaus untergebracht werden. Das hätten wir ja auch selber organisieren können, aber wie auch immer: wir freuen uns, nach der langen Zugfahrt und der Warterei auf eine heisse Dusche. Irgendwie steht das Glück heute aber nicht auf unserer Seite, denn es gibt momentan weder heisses noch kaltes Wasser – also gehen wir erst mal ohne Dusche ins Bett, denn das Reisen und Warten hat hundemüde gemacht.
Irkutsk bietet im Frühling wettertechnisch eine grosse Abwechslung. Täglich ändert das Wetter von Sonnenschein zu Regen oder gar Schnee. Das heisst, wir verlassen das Haus immer mit der ganzen Garderobe: Mütze, Regenjacke und Pulli, und genug Platz, um alle Kleider zu verstauen, falls die Sonne kommt und die Temperatur auf 25 Grad klettert.
Die Minibusse, die Autos und der Staub auf den Strassen in Irkutsk machen klar, dass wir in Asien sind. Alles ist ein bisschen chaotischer und unordentlicher. Für die Reiseorganisation haben wir es hier einfacher, als sonstwo in Russland. Man ist auf die Touristen vorbereitet und viele Leute sprechen Englisch. Irkutsk ist der Ausgangsort für Reisen an den Baikalsee, und auch wir buchen am ersten Tag eine kleine Tour auf die Insel Olkhon.
Zu Hause verbringen wir die Abende mit Vera, unsere Gästehaus-Betreuerin. Vera ist 29 Jahre alt und arbeitet im Museum. Sie möchte am liebsten bald auswandern, da ihr Russland und die Leute nicht gefallen. Die Menschen seien sehr negative eingestellt und schauen nur pessimistisch in die Zukunft. Wir haben wohl das Glück, dass wir auch sehr viele Russen mit einer positive Einstellung kennenlernen dürfen.

Olkhon Island

23. Mai 2010

Mit grossen Erwartungen setzen wir uns in den Minibus nach Olkhon. Noch vor der Abfahrt montiert der Chauffeur sechs Reserveräder auf dem Dach, was uns doch ein bisschen erstaunt, wir sehen aber darüber hinweg und freuen uns auf die Insel. Nach einer Stunde Wartezeit haben wir auch die Passagiere am Marktplatz aufgesammelt und endlich verlassen wir die Stadt. Die Landschaft ist wunderschön und die Busfahrt bietet zum Zugfahren eine angenehme Abwechslung. Doch schon vor der Mittagspause steht der erste Radwechsel an: Diagnose Plattfuss. Nach dem Mittagessen fahren wir in eine Garage, um auf der anderen Seite ein Rad zu wechseln, und noch bevor wir die Fähre erreichen, wechseln wir zum dritten und letzten Mal ein Rad.
Steppen, Hügel und Wälder umgeben vom riesigen Baikalsee – das ist Olkhon Island. Die Insel ist für Schamanen von Asien bis nach Nordamerika ein heiliger Ort; und für uns ein wunderschöner Fleck Erde. Wir übernachten in einem Homestay im Dorf Kuzhir und wie hier üblich, ist die Toilette ein Plumpsklo im Hinterhof und die Dusche wird mit dem Banya ersetzt – die russische Version der Sauna. Als einzige Gäste geniessen wir die Bedienung und die Vollpension und freuen uns, für einmal einfach an den Tisch sitzen zu können und nicht selber kochen zu müssen.

Mit Sergej, dem Fahrer, erkunden wir die Nordspitze der Insel. Die Landschaft ist wirklich einmalig und die Farben der braunen Steppe, das Eis auf dem See und der blaue Himmel sind eindrücklich. Obwohl die Sonne wärmt, ist der Wind unheimlich kalt und wir ziehen einmal mehr sämtliche Kleiderschichten an. Zum Mittagessen kocht uns Sergej über dem Feuer eine Fischsuppe und Tee – und die Glieder werden wieder warm. Wirklich warm wird uns dann aber am Abend im Banya – das Häusschen ist eingeheizt und wir geniessen das Saunabad in vollen Zügen.
Tags darauf erkunden wir die Insel zu Fuss. Nach einer vierstündigen Wanderung zurück im Dorf treffen wir, auf der Suche nach einem Internetzugang, auf Arthur, ein Naturfotograf. Arthur zeigt uns spontan seine Filmaufnahmen von der Insel sowie Fotos aus der Region um Ladakh in Indien. In Kürze wird ein Bilderbuch von ihm erscheinen mit den Fotos aus der Himalayaregion und wir überlegen uns, ob wir Arthur im Semptember in Ladakh besuchen sollen – wir werden sehen…

Ulan Ude

27. Mai 2010, 9827km
Ein Stück Luxus erwartet uns am Bahnhof in Ulan Ude: ein Abholservice mit dem hosteleigenen Minibus. Die Gäste in der Unterkunft kennen wir bereits aus Irkutsk: eine Schottin und drei Australier sind vor uns mit dem Nachtzug hier hin gereist und haben bereits ein Tag Sightseeing in Ulan Ude hinter sich. Nach dem Nachtessen lernen wir das erste russische Kartenspiel – von Nichtrussen. Ob der Host dies toll findet, bleibt uns ein Rätsel – er versucht uns nämlich das Schachbrett schmackhaft zu machen, was wir wiederum gar nicht passend finden.
Die Sonne brennt Mittags vom Himmel und das Thermometer steigt locker auf 30 Grad Celsius. Die Temperaturunterschiede und die Eindrücke der letzten Tage machen müde und so gestalten wir unser Tagesprogramm entsprechend zurückhaltend. Wir müssen unbedingt noch einen Anruf in die Mongolei machen und so sehen wir uns in der Stadt nach einem öffentlichen Telefon um. In Russland ist das nicht ganz einfach, doch wenn man Ausdauer im Ratlos-Dreinschauen hat, helfen die Leute irgendwann weiter. Und so erledigen wir, was zu erledigen ist und flanieren danach gemütlich durch die Hauptgasse der Stadt und geniessen die Wärme.
Nach zwei Tagen Erholung und viel Schlaf will Vladimir, der Hosteleigentümer, uns mit auf eine Stadtrundfahrt nehmen, damit wir für ihn Fotos von touristischen Attraktionen mit unserer Kamera machen. Natürlich sagen wir zu und geniessen vor unserer Weiterreise eine private Sightseeing Tour mit Ausführungen über die Geschichte der Stadt, sowie einem Besuch im buddistischen Tempel während der Andacht, was für uns ein grosses Highlight ist.