Europa

Dresden (Deutschland)
Nachdem wir vor zwei Tagen Abschied von zu Hause genommen haben, erreichen wir heute Dresden. Abseits der Hauptroute fahren wir mit dem Regionalzug vier Stunden lang durch die schöne Landschaft zwischen Bayern und Sachsen, und uns bleibt viel Zeit zum dösen. Die letzten Tage vor der Abreise waren turbulent und so geniessen wir das Nichtstun.
Nach dem Einchecken im Hostel mieten wir zwei knallorange Fahrräder mit nur einem Gang, was im flachen Dresden ganz OK ist - für eine Federung am Rad hätten sich allerdings unsere Hintern bedankt, denn die vielen Pflastersteinstrassen machen das Radfahren nicht unbedingt zum Vergnügen. Bequemer ist es auf dem Radweg der Elbe entlang, wo wir die Schlösser ausserhalb der Stadt besuchen. Leider sind wir nicht alleine unterwegs und so kurven wir mühsam um die zahlreichen Spaziergänger. In der Altstadt gibt es Bauwerke wie die Frauenkirche oder die Oper zu sehen, die noch nicht vor langer Zeit wieder aufgebaut wurden. Gleich gegenüber in der Neustadt dominieren graue Hochhäser das Stadtbild. Das kulinarische Angebot ist extrem vielseitig: Türken, Inder und Griechen haben hier ihre Restaurants.

Hřensko (Tschechien)

5. April 2010, 881km

Hřensko ist eine Bahnstunde von Dresden entfernt und liegt direkt hinter der Grenze in Tschechien. Wir erwarten ein kleines, verschlafenes Dorf inmitten der Sächsischen Schweiz. Bereits von Weitem erkennen wir in der Hauptstrasse Marktstände mit asiatischen Verkäufern, die von Zigaretten über Kleider und Schuhe bis zum Gartenzwerg alles verkaufen. Das Treiben erinnert uns an den Nachtmarkt in Bangkok und wirkt irgendwie befremdend in dieser Idylle...
Nach dem Einchecken in die Pension Lugano (es gibt hier auch eine Restaurant Luzern) analysiert Marcel die Speisekarten sämtlicher Restaurants im Dorf. Es soll heute eine böhmische Spezialität zum Abendessen geben.
Tags darauf unternehmen wir eine Wanderung in den nahegelegenen Nationalpark, welcher wegen den einzigartigen Felsformationen bekannt ist. Nachdem wir bis jetzt noch nicht viel von der Frühlingssonne gesehen haben, meint es Petrus heute gut mit uns und wir geniessen das Wetter und die tolle Aussicht über die weiten Wälder.

Olomouc (Tschechien)

7. April 2010, 1275km

Via Prag geht die Reise weiter, mit dem Zug in den Osten von Tschechien, nach Olomouc. Die Stadt gilt als die kleine Schwester von Prag: genau so sehenswert, jedoch kleiner und ohne die vielen Touristen. Am Bahnhof angekommen, wirkt sie allerdings sehr trostlos. Die baufälligen Plattenbauten und die Strassenbahn stammen bestimmt noch aus der Sowjetzeit. Bei der Fahrt durch die Altstadt ändert sich das Bild, Pflastersteinstrassen und alte, buntbemalte Häser reihen sich aneinander. Im Hostel werden wir von den Inhabern Francie und Greg sehr freundlich empfangen. Die Unterkunft ist klein und gemütlich, und man fühlt sich sofort wie zu Hause.

Das Rathaus hat eine astronomische Uhr, wie man sie aus Prag kennt. Die wunderschönen Altstadthäuser, die Gassen, die alten Brunnen und die grosszügigen Parkanlagen machen die Stadt zu einem besonderen Ort. Olomouc ist eine Universitätsstadt, in der die Studenten rund 20% der Bevölkerung ausmachen. Dies ist wohl der Grund für das grosse Angebot an Bars und Clubs.

Die Abende verbringen wir mit unseren Mitbewohnern bei angeregten Gesprächen über weitere Reiseziele. Wir lernen zwei Osteuropa Fans kennen, die uns wertvolle Tips für die Weiterreise mit auf den Weg geben.

Martin (Slovakei)

10. April 2010, 1513km

Für einmal sind es nicht die schönen Bauwerke oder Landschaften die uns in die nächste Stadt locken, sondern Vreny. Vre lernten wir in der Schweiz über Servas kennen. Nachdem sie von unseren Reiseplänen erfuhr, hat Vre uns spontan in ihre Wohnung nach Martin eingeladen.
Bei der Ankunft am Bahnhof werden wir bereits von ihr erwartet. Am Abend besuchen wir zusammen das Theater. Es ist spannend, Alltagsszenen auf der Bühne dargestellt zu sehen. Dank unserem Russisch Kurs verstehen wir nun auch "Guten Tag" , "Hallo" und "Tschüss" auf Slovakisch - ansonsten können wir die Handlung einigermassen erahnen.
Die Tage bei Vre vergehen wie im Flug. Sie hält uns mit ihrer Energie auf Trab: beim Museeumsbesuch, beim Einkauf auf dem Markt und beim Stöbern im Trödelladen. Wir probieren diverse slovakische Spezialitäten und lernen das Nationalgericht Haluški kennen.
Im Bekanntenkreis von Vre hat sich unsere Ankunft herumgesprochen. Die folgenden Abende besuchen wir Freunde von Vre. Wir werden immer sehr herzlich empfangen, ob zum Abendessen oder zum Umtrunk. Dabei erfahren wir viel über unsere Gastgeber, ihre Altagsfreuden und -sorgen. Natürlich werden wir detailiert über die Reisepläne ausgefragt. Der Besuch in Martin wird uns speziell in Erinnerung bleiben. Der Gästebucheintrag vom 12. April stammt von unserer Schnappstaufe: wir haben auf Marschall Malinovskij angestossen - Na zdravie!

Krakau (Polen)

14. April 2010, 1778km

Auf einmal können wir uns wieder in Deutsch oder Englisch verständigen, anstatt mit ein paar Brocken Russisch und Gesten. Krakau ist ein Touristenmekka und es wimmelt hier von Englisch sprechenden Besuchern. Wir beginnen unser Sightseeing nicht in einer der vielen Kirchen, sondern im Wasserpark beim Rutschbahnfahren und Sprudeln. Ein besseres Programm für einen verregneten Tag gibt es doch gar nicht.
Die Stadt selber bietet Vieles für Kulturbegeisterte und Shoppingfans: kleine Boutiquen säumen die Gassen und an Restaurants und Cafe’s mangelt es auch nicht. In Krakau gehört auch ein Besuch im nahe gelegenen Auschwitz dazu. Wir ignorieren die zahlreichen Angebote für einen kostspieligen Tagesausflug im Minibus mit Führer und rattern mit dem Regionalzug auf eigene Faust eineinhalb Stunden hin und wieder zurück.
In Krakau begleiten uns täglich die Ereignisse der vergangenen Tage: der Flugzeugabsturz mit dem polnischen Präsidenten an Board. Diverse Kundgebungen und die Beerdigung am Sonntag machen die Stadt in diesem Moment zu einem speziellen Ort.

Wroclaw (Polen)
20. April 2010, 2046km

Der Name dieser Stadt muss man erst einmal richtig aussprechen lernen. Reiseführer und der Stadtplan des Tourismusbüros helfen dabei weiter, oder man hält sich an die deutsche Version "Breslau".
Wir haben in den vergangenen Tagen beide eine Erkältung eingefangen und nun stehen Taschentücher regelmässig auf der Einkaufsliste. In einer Apotheke lernen wir dann auch den post-kommunistischen Charme einer Verkäferin kennen: jrgendwie scheint die Dame kein Interesse zu haben, uns etwas zu verkaufen. Da ansonsten die Leute sehr hilfsbereit sind, verlassen wir das Geschäft ohne Einkauf und gehen in die nächste Apotheke um die Ecke, wo mit freundlicher Hilfe unser Wunsch erfüllt wird.
Trotz Erkältung wollen wir uns Wroclaw nicht entgehen lassen und wir unternehmen täglich kleine Erkundungstouren. In der Altstadt gibt es ein wunderschöner Marktplatz und eine grosse Markthalle, wo alles Mögliche vom Shampoo bis zum Hünerfuss angeboten wird. Unsere Einkäufe beschränken sich allerdings auf vegetarische Zutaten. Zum Ausgleich ist das ganz gut so, da die Gerichte in den Restaurants immer viel Fleisch auf dem Teller haben.

Torun (Polen)
23. April 2010, 2500km

Nach diversen Empfehlungen entscheiden wir uns für einen Halt in Torun. Beim Ticketkauf am Morgen in Wroclaw stehen wir das erste Mal in einer Warteschlange und wir werden langsam nervös, weil es nur noch wenige Minuten bis zur Zugabfahrt sind. Als wir endlich an der Reihe sind, können wir der Dame am Schalter in unserem Russisch-Polnisch-Englisch Kauderwelsch erklären, wohin unsere Reise gehen soll. Als sie uns den Preis für die Fahrt nennt, erschrecken wir erstmal ziemlich ab der hohen Zahl. Sie erklärt uns, dass wir uns einen Express Intercity Zug ausgewählt haben, und diese Züge ein Mehrfaches teurer sind, als die normalen Schnellzüge. Wir entscheiden uns dann doch für den Kauf des Tickets und geniessen kurz darauf eine ruhige und schnelle Zugfahrt.
Vom Bahnhof in Torun marschieren wir die 2.5 Kilometer zu unserem Hotel. Die Altstadt hier ist einmalig in Polen, da Torun von Bombardierungen im zweiten Weltkrieg verschont wurde und die Häuser alle noch original sind. Am Samstag machen wir noch einen Grosseinkauf (Taschentücher stehen immernoch auf der Einkaufsliste), da wir Sonntags ein verschlafenes Städtchen erwarten. Wir werden aber eines anderen belehrt. Torun zieht viele Tagesausflügler an, die die Geburtsstadt des Nikolaus Kopernikus besuchen und die Café’s und Geschäfte haben Hochbetrieb. Wir geniessen einen sonnigen und warmen Tag bei einem Bier und bei einem Eis – in Polen dauert die Glacésaison von Anfang Februar bis zu den Christkindlmärkten im Dezember.
Gdansk (Polen)
26. April 2010, 2711km

Nach der Ankunft in Gdansk beschäftigt uns vorerst die Suche nach dem Hostel. Da die Information im Tourismusbüro mehr schlecht als recht ist, kämpfen wir uns mit der Auskunft von Passanten durch. Das Lucky Hostel liegt mitten im Wohnquartier und ist ein Familienbetrieb. Wir treffen im Gemeinschaftsraum auf die gesamte Verwandtschaft und vermissen hier irgendwie andere Gäste. Die bleiben unter der Woche tatsächlich fast aus, um so mehr Leute bevölkern dann das Haus am Wochenende. Die Organisation lässt ein bisschen zu wünschen übrig, dafür haben wir alles für unseren Komfort: gratis Internetzugang, eine Küche und sogar die eigene Dusche auf unserem Zimmer.
Gdansk hat eine wunderschöne Innenstadt mit bunten Häuserzeilen, schmalen Gassen und vielen Cafés. An jeder Ecke bieten Händler Bernsteinschmuck an. Bernstein kommt in dieser Region oft vor und wie wir gelesen haben, könnte man am Strand sogar über ein angeschwemmtes Stück stolpern. Da Denise aber sowieso nicht mehr Gepäck tragen will, verzichten wir auf den Kauf von Schmuck und investieren in das Eintrittsticket für das Marine Museum, und wir machen uns schlau über die Geschichte von Gdansk als Handels- und Hafenstadt.
In Gdansk, bzw. auf der Halbinsel Westerplatte, hat der zweite Welkrieg begonnen. Heute steht dort ein Denkmal und mit grossen Bildern und Text wird über die Ereignisse informiert.
Die Temperaturen hier sind ja immernoch kühl. An dem Tag, wo wir den nahegelegenen Strand besuchen, legt Petrus allerdings einen Sommertag ein und wir spazieren bei 25 Grad Barfuss dem Strand entlang und verstauen unsere Jacken und Pullover für einen Tag weit unten im Rucksack.
Nach rund einer Woche in Gdansk haben wir viel für die Weiterreise durch Russland und die Mongolei organisiert. Inzwischen sind bereits alle Abschnitte der Transsibirischen Eisenbahn sowie einige Unterkünfte gebucht. Wir können uns also in Russland voll und ganz auf andere Herausforderungen konzentrieren, und die werden bestimmt auf uns zukommen.